Als Ole 2014 in der Warpzone zum ersten Mal mit Münsters Hacker-Szene in Berührung kam, war er 14 Jahre alt. Heute ist er im Vorstand des gleichnamigen Vereins aktiv, nennt die 200 Quadratmeter großen holzgetäfelten Räume am Hawerkamp sein zweites zu Hause und sagt, dass Hacker ziemlich tolerante Leute sind, die technisch und gesellschaftlich gute Sachen machen. Mit Kanello sprach er über die Vorurteile gegenüber Hackern, über die Pluspunkte der WARP ZONE, über sein persönliches Engagement und den Wunsch, dass in emanzipierten Zeiten langsam mal mehr Mädchen hacken sollten.
Ole: Wie viele andere hab’ ich als Kind zuerst mit Lego gebaut und bin später auf Elektronik umgestiegen. 2014 eröffnete dann ein Elektronikladen, in dem ich mir Bauteile für Schaltkreise und andere Spielereien besorgt habe. Dort hat mich ein Mitarbeiter auf die Warpzone aufmerksam gemacht. Eines Samstags bin ich dann dahin und hab’ den Abend dort verbracht. Anfangs war ich ziemlich schüchtern, hab’ aber schnell gemerkt, dass die Leute dort offen und nett sind.
Heute kann ich aus eigener Erfahrung sagen: In der Warpzone ist jeder willkommen, der andere willkommen heißt. Vorurteile spielen keine Rolle und man lebt das irgendwie. Also, jeder, der vorbei kommt, kommt nicht nur wegen der Infrastruktur, die der Verein bietet, sondern weil er auch das Gefühl mag, das im Verein herrscht.
Ole: Am meisten begeistert mich, was die Leute tatsächlich machen und auf die Beine stellen. Das sind Dinge, die sind eigentlich unvorstellbar. Immer wieder setzen Mitglieder Projekte in die Tat um, die vorher für Blödsinn gehalten wurden. Am Ende kommt nur meist doch etwas Verblüffendes und Faszinierendes dabei ‘rum. Dies macht die Warpzone aus, man fragt einfach nicht nach dem Warum, sondern staunt am Ende nur. Und: dass die Community weit über Münster hinausgeht und weltweit vernetzt ist.
Ole: Das kann vieles sein. Erst mal ist es der Name eines Vereins, der sich dann selbst als Hackspace bezeichnet. Dort treffen sich Hackerinnen und Hacker und was das im Detail bedeutet, ist nicht wirklich definiert. Man könnte deshalb sagen, dass die Warpzone erst einmal ein Sozialer Treffpunkt ist für Leute, die sich irgendwie mit Technik, der Politik um die Technik herum sowie grundsätzlich politisch unterhalten – oder einfach nur beisammen sein wollen.
Kanello: Technik und Politik um die Technik: Das klingt nach zwei verschiedenen Bereichen. Einmal sehr praktisch technisch orientiert und zum anderen darüber hinausgehend gesellschaftlich. Ist das so?
Ole: Ja, das auf jeden Fall. „Hacken“ bedeutet bei uns im Verein aber erst einmal, einfach da zu sein. Dann gibt es die technische Seite, indem man zum Beispiel konkret an eigenen oder gemeinsamen Projekten arbeitet. Und es kommt eben auch oft genug vor, dass wir zum Beispiel über aktuelle Wahlen diskutieren oder zum Beispiel über die Auswirkungen von Überwachung reden, dies auch beispielsweise in Bezug auf neue Polizeigesetze.
Kanello: Wenn Du von Technik und Hacken sprichst. Muss man Angst haben, dass unsere Krankenakten offen gelegt werden?
Ole: Das ist überhaupt nicht unser Ziel. Aber bleiben wir bei dem Beispiel: Wenn sich jetzt jemand zum Projekt machen würde, zu erforschen, wie sicher unsere Krankenakten sind, dann könnte der anfangen, Krankenakten zu hacken. Dann macht er das aber nicht, weil er Interesse an den Daten hat oder sich daran bereichern möchte. Genau das Gegenteil ist der Fall: Der macht das, um zu zeigen, wo Probleme sind und wie es besser gemacht werden könnte.
Kanello: Also, Ihr habt schon Lust, Euch einzumischen und zu sagen: Hey, Leute, hier ist eine Problemzone und wir sagen Euch, wie man die hacken kann. Ihr hackt die aber nicht tatsächlich, sondern ihr sagt Bescheid.
Ole: Genau, wir würden das melden, damit das Problem behoben werden kann. Das Ziel ist, Verbesserungspotenzial zu entdecken. Meist beginnt es damit, ganz respektlos mit der Technik umzugehen und dann zu schauen: Wo geht eine Tür auf, die nicht aufgehen sollte. Das wäre dann schon richtiges Hacken. Solche Projekte ergeben sich auch aus den gesellschaftlichen Diskussionen, die wir führen. Im letzten Jahr haben sich zum Beispiel Leute in Berlin gefragt, wie sicher eigentlich unser Wahlsystem ist. Dann haben die angefangen zu suchen und sind dabei auf gravierende Lücken gestoßen. Niemand wäre aber auf die Idee gekommen, die Wahl zu manipulieren. Sie haben das aber an die Firmen weitergegeben und als sich da nichts tat, haben sie es an die Presse gebracht. Im Endeffekt haben alle nur versucht, zu helfen, etwas sicherer zu machen. Weil wir uns selbst ja auch wünschen, dass unsere Daten sicher sind. Unser Ansatz ist also nicht zerstörerisch. Oder anders: Wir machen keine bösen Sachen.
Das ist aber nur die eine Seite des Hackens. Die andere Seite ist, dass man neue Dinge schafft. Leute hacken bei uns auch an neuen Computerprogrammen, um die Gesellschaft zu verbessern. Und es gibt lustige technische Spielereien, die niemandem etwas bringen, die aber ganz toll sein können. Auch das ist hacken: sich selbst weiterbilden, Wissen sammeln, Wissen teilen und dabei Spaß haben.
Ole: Klar, der Hawerkamp ist für viele super abschreckend – aber abgeranzt und bunt heißt ja noch lange nicht gefährlich oder kriminell. Ich finde, es kommt immer auf die Leute an, mit denen man zusammen ist. Aber die Vorurteile sind klar da. Auch gegenüber dem Hacken selbst.
Der Rundumschlag geht meistens so, dass Hacker im dunklen Keller auf ihre Bildschirme gucken, kryptische Befehle in die Tatstatur tippen und am Ende irgendwo ein Server bei der NSA brennt. Das sind aber nicht wir. Die Warpzone ist ein sozialer Treffpunkt, wo zwar auch Leute vor ihren Rechnern sitzen und für Außenstehende komische Sachen eintippen; der Unterschied ist aber, dass wir ausdrücklich keinen Schaden anrichten wollen. Womit wir beim zweiten Vorurteil wären: Hacker tun nur Böses. Gibt’s auch, aber das sind in meinen Augen eher Blackheads oder Redheads. Der Begriff Hacker wird aber im Allgemeinen negativ wahrgenommen. Wir wollen aber genau das Gegenteil: nämlich Gutes tun. Deshalb findet alles, was bei uns passiert, auch im Rahmen der „Hacker-Ethik“ des Chaos Computer Club statt. Die gibt es seit fast 40 Jahren und an der orientieren wir uns. Da stehen so Dinge drin wie „Mülle nicht in den Daten anderer Leute“ oder „Nutze öffentliche Daten, schütze private Daten“. Daraus wird eigentlich schon ziemlich deutlich, dass Hacker eigentlich nichts Böses tun. Und wenn sie etwas Böses tun, dann nur, damit man daraus etwas Gutes schöpfen kann. Klassisches Beispiel ist der „BTX-Hack“ von 1984. Damals hat der Chaos Computer Club mit einem simplen Taschenrechner über 100.000 DM vom Konto der Hamburger Sparkasse abgebucht, um auf Sicherheitslücken bei der Post aufmerksam zu machen. Klar, die Leute haben etwas Verbotenes getan und sind dafür auch belangt worden. Aber die Absicht war, Gutes zu tun und das ist das, was ich unter Hacken verstehe.
Ole: Ja, schwieriges Thema. Aktiv im Verein sind derzeit nur sehr wenige Frauen. Zwei oder drei von Hundert ist in meinen Augen eine miese Quote und das ist definitiv etwas, was wir uns anders wünschen. Wir wissen aber offen gestanden auch nicht so richtig, was wir tun können. Wir wirken glaube ich schon auch abschreckend. Wenn ein Mädchen oder eine Frau zu uns kommt und 20 Jungs oder junge Männer sieht, die erstmal unkommunikativ sind, dann stelle ich mir das schwierig vor. Ich kann nur sagen: Wir sind zwar zum Teil etwas introvertiert, aber weder böse noch verschlossen. Deshalb finde ich auch toll, dass ich das hier ansprechen kann. Also: Mädchen und junge Frauen sollen sich unbedingt trauen, wir ignorieren niemanden. Ich gehe schwer davon aus, dass es genug Mädchen und junge Frauen gibt, die Interesse an dem Thema haben und an der Lösung mitarbeiten wollen. Aber wir haben ja auch Abende, an denen wir zusammen feiern gehen oder an denen wir einfach nur in der Küche sitzen und quatschen.
Im Zweifel einfach mich ansprechen, ich bin häufig da.
Ole: Wir haben am Hawerkamp etwa 200 m2 große Räume mit fünf Bereichen: Es gibt eine Lounge, einen Technikraum, einen Vortragsraum, eine Holzwerkstatt und eine große Küche. Nicht alles hat bei uns also etwas mit Computertechnik zu tun. Wir haben auch Leute, die sich bei uns Betten, Regale oder Tische gebaut haben. Die Holzwerkstatt ist dazu gut eingerichtet. Und unsere Räume sind auch komplett aus Holz gebaut. Im Technikraum gibt’s Tische, an denen man arbeiten kann, aber auch kleine Bauteile, Lötkolben und die üblichen Werkzeuge, die man immer mal wieder braucht. Die Lounge ist im Grunde unser Wohnzimmer. Da stehen Sofas, ein Beamer, ‘ne Anlage und ‘ne große Leinwand. Das heißt, man kann auch schon mal Filme gucken oder Musik hören. In der Küche stehen zwei Herde, eine Theke und zwei große Kühlschränke. Dienstags kochen wir da in der Regel alle zusammen. Aber auch sonst sitzen wir dort zusammen und reden. Für einige von uns ist die Warpzone wie ein zweites zu Hause geworden. Für mich ist das auch so.
Ole: Genau, ich bin jetzt seit drei Jahren im Vorstand. Der besteht aus fünf Leuten, die alle gleiches Stimmrecht haben. Wir sind etwa 100 Mitglieder mit einem regelmäßig aktiven Kern von etwa 20 Leuten, die zwei Mal im Monat kommen. Dann fünf bis zehn Leute, die jeden zweiten Tag da sind. Wir leben eine offene Vereinsstruktur ohne Einstiegshürden. Jeder ist willkommen, aber wir wollen schon alle Leute kennen lernen, die bei uns im Verein mitmischen. Wir achten vor allem darauf, dass alle miteinander gut umgehen. Auf keinen Fall muss man bestimmte Betriebssysteme oder Programme benutzen, um Mitglied zu werden.
Was meinen Einsatz betrifft, behaupte jetzt mal: Ich tue so viel ich kann. Ich hab’ schon Freunde mitgebracht und wenn ich Leute treffe, von denen ich denke, dass die mal gefördert werden sollten, dann spreche ich die konkret an und lade sie zu uns ein. Einfach deshalb, weil es für sie gut sein könnte. Also weniger eigennützig für den Verein, sondern für die Leute selbst.
Deshalb darf jeder bei uns vorbeikommen, der ein Problem zusammen mit anderen lösen will. Wer zum Beispiel einen Computer selbst zusammen bauen will und an einer Stelle nicht weiter kommt. Wenn aber jemand kommt und sagt: „Mein Rechner funktioniert nicht, kannst Du den mal reparieren?“ der sollte zum
Computerladen gehen. Was wir auch nicht gut finden, ist, wenn jemand nur kommt, um die Werkzeuge zu nutzen und dann wieder abzischt. Wir geben super gerne Wissen weiter, aber wir sind kein billiger Reparaturdienst oder ein Werkzeuglager. Das hat zwar schon zu Ärger geführt, aber unser Ansatz ist: Jeder hilft jedem.
Was wir als Verein tun, ist, dass wir die Hemmschwelle mit 15 Euro, bzw. 10 Euro ermäßigtem Mitgliedsbeitrag pro Monat niedrig halten. Ansonsten zieht sich der Vorstand möglichst weit ‘raus. Er regelt die finanziellen Sachen, die Aufnahmeanträge und so, aber ansonsten läuft der Rest über das Plenum, was wir jeden Dienstag haben. Vorher gibt’s online eine Liste mit Punkten, über die entschieden oder diskutiert werden soll, und dann treffen wir uns und besprechen das. Es gibt auch nicht die eine Person, die man ansprechen kann. Bei uns kann jeder von jedem angesprochen werden. Wie gesagt: Jeder hilft jedem und jeder ist willkommen. Das gehört übrigens auch zur Hacker-Ethik des CCC: „Beurteile einen Hacker nach dem, was er tut, und nicht nach üblichen Kriterien wie Aussehen, Alter, Rasse, Geschlecht oder gesellschaftlicher Stellung.“
Ole: Einfach vorbeikommen. Am besten vorher gucken, ob jemand da ist, um nicht vor verschlossener Tür zu stehen. Ziemlich gute Chancen sind mittwochs ab 18 | 19 Uhr oder samstags ab 16 | 17 Uhr. Da ist fast immer jemand da. Was man menschlich mitbringen sollte, ist die Bereitschaft, offen zu sein.
Irgendwas Technisches mitzubringen schadet natürlich auch nicht – dann kommt man leichter ins Gespräch. Ist aber nicht zwingend. Und vielleicht noch ein, zwei EUR für Getränke. Wir haben einen großen Kühlschrank mit Getränken und Snacks, falls man sich versorgen will.
Ole: Wir sind ein Hackspace. So nennen sich alle anderen in Deutschland auch. Warpzone ist ein lokaler Name, der ursprünglich von „Supermario“ kommt. Bei dem Spiel gibt es ein Level, bei dem man in die Warp Zone kommt; und dort gibt es einen Fehler im Spiel und man kommt quasi bis zum Ende. Im übertragenen Sinn heißt das: Wer in die Warp Zone kommt, hat’s quasi geschafft.
Kanello: Super Schlusswort. Vielen Dank, dass Du da warst!
- Details
- Von Redaktion Kanello Redaktion Kanello