Demonstrant*innen vor großem Demoschild
© Joshua von Hayn

(jvh) Am Samstag, dem 14.1.2023, habe ich an der Großdemo in der Nähe des Ortes Lützerath gegen die Zerstörung von ebenjenem Dorf teilgenommen. Die Demonstration wurde von mehr als 30.000 Menschen besucht. Organisiert wurde sie von einem Bündnis aus verschiedenen Gruppen, darunter zum Beispiel Fridays For Future und der NABU. Die Demo war ordnungsgemäß bei den zuständigen Ämtern angemeldet, weshalb für den Tag besonders viele Polizisten in Lützerath und dem Nachbarort Keyenberg unterwegs waren.

Der erste, bleibende Eindruck

Offiziell sollte die Demo um 12 Uhr beginnen, allerdings hat sich der Start durch die großen Menschenmassen (zum Vergleich: Es waren ursprünglich 8.000 Leute eingeplant) um eine Stunde verzögert. Bereits vor dem Start der eigentlichen Demo strömten unglaublich viele Menschen in Richtung des Kreisels, an dem sich alle trafen. Direkt zu Beginn führte ein kleiner Pfad auf einen Hügel, von dem aus man bereits die riesige Kohlegrube sehen konnte, die sich weiter bis nach Lützerath ausbreiten soll. Diese Grube ist ein Anblick, den man so schnell nicht vergisst. Sie war gigantisch und sah aus wie eine riesige Wunde im Boden. Wie ein Meteoritenkrater. Man konnte sich nicht vorstellen, dass dort einmal etwas anderes stand. Es wirkte, als sei sie schon immer da gewesen.

Durch den Dauerregen war es während der gesamten Demo sehr matschig und wir sind alle sehr dreckig geworden. Man ist, wenn man nicht aufgepasst hat, schnell bis zu den Knien versunken.

Wie lief die Demonstration ab?

Um 13 Uhr ging es los. Wir liefen hinter einem umgebauten Lieferwagen, der gleichzeitig als Musikanlage und Bühne funktionierte, her. Um uns herum waren unermesslich viele Menschen, die alle das Gleiche forderten: Lützerath sollte stehenbleiben. Es war ein nicht enden wollender, bunter und lauter Zug. Während der gesamten Demo waren enorm viele Polizisten anwesend, die allesamt schwerstens gerüstet waren und Lützerath bewacht haben.  Der Demonstrationszug teilte sich schnell in drei unterschiedliche Züge auf, die auf drei parallelen Wegen nebeneinander herliefen. Wir sind bereits nach einer Dreiviertelstunde bei der Kundgebung angekommen, auf der noch bis spätabends Menschen geredet oder gesungen haben (darunter unter anderem auch Greta Thunberg). Die Bühne der Kundgebung war ca. 150 Meter von der Abbruchkante des Tagebaus entfernt, zu der wir und noch viele andere schnell gegangen sind. Diese Abbruchkante war direkt bei dem gigantischem Kohlebagger. Es sah sehr komisch aus, wie die ganzen Menschenmassen nur einen Meter entfernt von der Kante, bei der es ca. 50 Meter in die Tiefe ging, standen.

Demonstrant*innen auf dem Weg zur Abbruchkante© Joshua von HaynWenige hundert Meter weiter befand sich das Dorf, um das es eigentlich ging: Lützerath. Es wurde von einer großen Menschenkette von Polizist*innen bewacht, vor denen wiederum eine Menschenkette von Aktivist:innen stand. Hinter ebenjener Kette standen noch weitere Unmengen an Menschen, die dahin noch daran scheiterten, hinter die Polizist:innen zu kommen. Die Stimmung war sehr aufgeladen, doch durch den tiefen Matsch waren die meisten Menschen eher damit beschäftigt, nicht stecken zu bleiben und somit kam es außer gelegentlichen Schubsereien zu keiner Gewalt. Trotzdem wirkte die Situation sehr bedrohlich. Auf der einen Seite standen die voll ausgerüsteten Polizist:innen mit Helmen, Schilden und Schlagstöcken, die sie teilweise auch eingesetzt haben und auf der anderen Seite die Aktivist:innen, die unbewaffnet (bis auf einige Feuerwerksraketen, die allerdings nicht in Richtung der Polizei geschossen wurden), aber dafür sehr, sehr wütend waren. Die beiden unversöhnlichen Seiten wichen nicht vom Fleck, obwohl die Polizei mehrmals mit dem Einsatz von Wasserwerfern drohte. Nach einiger Zeit formierte sich die Polizei neu. Alle verließen den Wall, auf dem bisher alle Polizist*innen standen und gingen näher an Lützerath heran, sodass sich die Gruppen jetzt auf einem Acker gegenüberstanden. Zwischen den Polizist:innen und den Aktivist:innen waren ca. fünf Meter Abstand. Während die Aktivist*innen die ganze Zeit Sprüche gerufen oder sogar gesungen haben, waren die Polizist*innen währenddessen immer ruhig und blickten nur auf die Menge, die ihnen gegenüberstand. Es gab der Situation eine sehr surreale Stimmung, da die Kontraste zwischen den beiden Seiten so noch einmal gut zu sehen waren.

Resultat der Demonstration

Den Aktivist*innen gelang es an diesem Tag nicht, in Lützerath einzudringen und die Klimaziele Deutschlands zu verteidigen. Die Polizist*innen waren zu mächtig. Nur wenige Tage später wurden auch die letzten Reste des Widerstandes in Lützerath geräumt und die letzten Häuser abgerissen. Doch der Protest ist noch längst nicht vorbei. Aktivist*innen kämpfen weiter für den Stopp des Baggerns, für das 1,5 Grad-Ziel und gegen den Verstoß gegen das Pariser Klimaabkommen. Um Lützerath herum wird weiter protestiert, sowohl mit legalen als auch mit illegalen Mitteln. Der Kampf ist für die meisten Aktivist*innen noch lange nicht vorbei. Und vermutlich wird sich der deutsche Staat noch lange mit ihnen beschäftigen müssen.