Sicherlich haben bereits viele von euch etwas von den auch in Münster ansässigen Burschenschaften mitbekommen. Sei es in einem von ihnen veranstalteten Zug oder bei einem ihrer Häuser, sie sind kaum zu übersehen. Doch worum geht es bei diesen Vereinigungen wirklich? Um diese Frage zu beantworten habe ich den Vortrag von Leon Enrique Montero „Reise nach Germania“ besucht. Der schwarze Journalist war für einige Zeit Mitglied einer Burschenschaft und erzählt seitdem in Vorträgen von seinen Erfahrungen.
Der Vortrag fand in einem Hörsaal in der Nähe der Baracke der Uni Münster statt. Es kamen über 300 Zuhörer*innen, sodass gar nicht alle auf den Stühlen Platz hatten und viele auf dem Boden saßen. Leon begann den Vortrag mit einem kurzen Überblick über Studentenverbindungen und ein paar Eckdaten.
Verbindungen und Burschenschaften in Deutschland
So gibt es in ganz Deutschland 1000 Verbindungen, 30 von diesen kommen aus Münster. Burschenschaften gehören zu diesen Verbindungen, sind aber deutlich konservativer und beziehen sich auf die Grundsätze "Ehre, Freiheit, Vaterland" der 1815 gegründeten Urburschenschaft. Fast alle Burschenschaften nehmen ausschließlich Männer und nur Personen auf, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Burschenschafter, die das Studium beendet haben, bleiben ihrer Verbindung oft als "Alter Herr" treu. Alle heutigen Burschenschaften sind farbentragend, das heißt ihre Mitglieder tragen bei offiziellen Veranstaltungen ein Band in den Farben der Verbindung und eine Studentenmütze. Die Burschenschaften bestehen aus jüngeren Mitgliedern, die studieren, und älteren Mitgliedern, welche die Burschenschaft mit Geld versorgen. Frauenverbindungenaben dadurch, dass es sie erst seit kurzem gibt, oft weniger Mittel zur Verfügung. Dazu zählt weniger Geld, kein eigenes Haus und auch wenige Ältere.
Alkohol bis zum Kotzen
In Burschenschaften spielt der Alkohol eine große Rolle. Es gibt in vielen Häusern extra Vorrichtungen, die nur zum Erbrechen gedacht sind („Speibecken“) und oft treffen sich die Mitglieder verschiedener Burschenschaften nur, um gemeinsam Alkohol zu trinken. Auch Streitigkeiten werden oft mit einem Wetttrinken gelöst. Es gibt keine Trinkpflicht, allerdings ist der Druck zu trinken oft relativ hoch und andere Verbindungsmitglieder machen sich oft lustig über einen, wenn man sich weigert, Alkohol zu konsumieren. Als Strafe gibt es häufig „Bierstrafen“, beispielsweise wenn man bei Veranstaltungen unerlaubt aufsteht oder als niederes Verbindungsmitglied einem höheren Mitglied nicht genügend Respekt zollt. Das Trinken wird teilweise so extrem, dass es bereits vereinzelt Todesfälle dadurch gab.
Gemeinsam statt einsam
Durch das ständige Zusammensein mit anderen Burschenschaftsmitgliedern gibt es auch keinen Realitätscheck für die Mitglieder, sodass selten jemand hinterfragt, ob der ständige Alkoholkonsum überhaupt einen Sinn hat. Auch politische Meinungen werden immer extremer und verstärken sich gegenseitig. Ein weiteres Problem ist die Isolierung von anderen Menschen. Dadurch, dass die Burschenschaften ihre Mitglieder bereits zu Beginn des Semesters anwerben, haben diese, sollten sie tatsächlich eintreten, wenig Möglichkeiten, andere Student:innen kennenzulernen und so Kontakte außerhalb der Burschenschaft zu knüpfen . Auch bestehende Freundschaften können durch die Burschenschaften zerbrechen, da diese viel Zeit und Aufwand erfordern. Besonders schlagende Burschenschaften, in denen auch noch zusätzlich gefochten wird, nehmen viel Zeit in Anspruch, da es bei diesen bis zu fünfmal die Woche Fechttraining gibt. Viele Menschen bleiben auch nur in Burschenschaften, da diese ihr einziges Sozialleben darstellen und sie, wenn sie diese verlassen würden, alleine dastehen würden.
Ein Sache, welche heute nicht mehr so oft zum Thema kommt, aber in einigen Vereinigungen immer noch existiert, ist die Mensur. Mensuren sind Fechtduelle, bei denen der Kopf ohne Schutz bleibt und bei denen aufgrund dessen dauerhafte Narben entstehen Diese Narben nennt man Schmisse und gelten bei einigen Vereinigungen als Ehrenzeichen. Diese sind allerdings, wie bereits erwähnt, heutzutage eher selten.
Archaisches Frauenbild, offen rechts
Das Frauenbild der Burschenschaften ist – freundlich gesagt – durchwachsen. Die Verbindungen selbst sind fast ausschließlich nur für weiße Männer und in diesen ist der Sexismus an der Tagesordnung. So haben besonders die WhatsApp-Gruppen der Verbindungen viele sexistischen Memes oder ähnliches. Die einzige Begebenheit, bei der Frauen dabei sein dürfen, sind Partys, auf denen es auch zu sexuellen Übergriffen kommen kann
Das zentrale Thema, was Leon angesprochen hat, war der Rechtsextremismus in den Burschenschaften. Auch wenn sich die meisten von ihnen zwar als apolitisch ausgeben, sind sie doch im ganz rechten Spektrum zu verordnen. So gibt es zum Beispiel den Dachverband Deutsche Burschenschaften (DB), bei dem es das sogenannte Abstammungsprinzip gilt. Dieses besagt, dass nur deutsche Personen Mitglied der Burschenschaft sein dürfen. Dafür reicht ein deutscher Pass allerdings noch lange nicht aus. „Personen mit mehrheitlich außereuropäischen Vorfahren sind unter Hinweis auf die Abstammungsgemeinschaft eines Volkes (…) keine Angehörigen des deutschen Volkes“ So heißt es in dem sogenannten Abstammungsprinzip, nach dem sich die Verbände unter der DB bei der Aufnahme neuer Mitglieder richten.
Leon hat sich aus journalistischem Interesse auch bei mehreren der DB-Verbände beworben und wurde tatsächlich bei vier von diesen zur Besichtigung eingeladen. Bei diesen wurde er allerdings bei allen bis auf einen aufgrund seiner „nichtdeutschen Herkunft“ abgelehnt. Diese Verbindungen sind häufig als rechtsradikal oder rechtsextrem einzustufen. Bei einer von dieser hing zum Beispiel eine Reichskriegsflagge, bei einer anderen wurde der Kolonialismus verherrlicht. Leon wurde dort freundlich, aber abweisend behandelt und ihm wurde sofort klar gemacht, dass er aufgrund des Abstammungsprinzips definitiv nicht Mitglied sein könnte. Als er den Vereinigungen später gesagt hat, dass er Journalist ist, wollten diese ihn aufgrund von Verleudmung auf 260.000€ Schadensersatz verklagen. Außerdem haben sie viele Begebenheiten, die Leon in seiner E-Mail geschildert hat, geleugnet.
In Münster hat insbesondere die Burschenschaft „Franconia“ diverse Kontakte zur rechtsextremen „Identitären Verbindung“. Die Burschenschaft ist nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Stephan Peters aufgrund des in ihr verbreiteten völkischen Gedankenguts dem äußeren rechten Spektrum zuzuordnen.
Abschließend kann man sagen, dass ich euch nicht empfehlen würde, Teil einer Burschenschaft zu werden. Auch wenn Freund*innen von euch Mitglied werden wollen, würde ich euch empfehlen, diese über die Burschenschaften aufzuklären und vor diesen zu warnen.
- Details
- Von Joshua von Hayn